Viel mehr als bloß Urlaub: Politischer Abend 2018

In fünf Runden haben Berliner Jugendverbände von ihren internationalen Jugendbegegnungen mit Ägypten, Israel, Japan, Mongolei und Polen bei unserem Politischen Abend erzählt. Unter dem Motto „Grenzen überwinden“ kamen am 9. Oktober 2018 rund 70 Vertreter_innen aus Jugendverbänden, Politik und Fachorganisationen zusammen, um sich über die Wirkungen und Rahmenbedingungen von internationalen Begegnungen auszutauschen.

Direkt nach dem Ankommen fiel wohl den meisten Besucher_innen die handgezeichnete große Weltkarte mit unzähligen kleinen grünen Fähnchen im Eingangsbereich auf. „Wo Berliner Jugendverbände junge Menschen mit der Welt zusammenbringen“ war über der Karte zu lesen. Tatsächlich bieten die Jugendverbände jedes Jahr rund 130 internationale Jugendbegegnungen mit rund 3.500 Teilnehmenden an – die Karte zeigte davon nur einen Ausschnitt der letzten drei Jahre. Aber was bedeutet es eigentlich, an einer internationalen Begegnung teilzunehmen?

Augenhöhe statt Urlaub

„Solche Begegnungen mit jungen Menschen anderer Länder sind viel mehr als eine Urlaubsfahrt“, sagte Marcel Hoyer, Vorsitzender des Landesjugendring Berlin, in seiner Begrüßung. „Jugendliche begegnen sich hier auf Augenhöhe. Lokales und globales Handeln der Jugendverbände verbinden sich dabei.“ Wenn Pfadfinder_innen aus Berlin mit Pfadfinder_innen in der Mongolei eine gemeinsame Steppentour machen und zusammen ein zweisprachiges Lied komponieren oder Jugendliche der BUNDjugend ökologische Aktionen mit jungen Umweltgruppen aus Ägypten planen und durchführen liegt das auf der Hand.

Nicht zuletzt stehen solche Begegnungen immer auch für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit. „Erfahrungen im Ausland beugen Ressentiments und Ausgrenzen des Fremden vor“, betonte Sigrid Klebba, Staatssekretärin für Jugend und Familie in Berlin, in ihrer Eingangsrede. Sie selbst sei in den 80er Jahren bei Jugendbegegnungen in Georgien und Ungarn gewesen – und habe sich hierbei unter anderem intensiv mit Genderthemen auseinandergesetzt. „Anders als im Urlaub ermöglichen Jugendbegegnungen auch immer sozialen Austausch“, so Klebba, die sich anschließend in der Kugellager-Diskussion mit den anderen Gästen über Erfahrungen, Erinnerungen und bessere Rahmenbedingungen solcher Austausche auseinandersetzte.

Von der mongolischen Steppe zur Ostsee

„Nach unserem gemeinsamen Zeltlager mit der mongolischen Pfadfinder_innen-Partnergruppe bei Ulan Bator haben wir eine Nomad_innenfamilie besucht und eine Tour durch die Steppe gemacht“, erzählt Sebastian vom Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder Berlin in einer von fünf Stuhlkreis-Runden beim Politischen Abend. Auf einem Monitor läuft eine Fotoshow mit Bildern der Begegnung. Darauf sind viele lachende Gesichter zu sehen. Drei Wochen lang sei die Gruppe in der Mongolei unterwegs gewesen – organisiert hätten die Fahrt ausschließlich Ehrenamtliche. „Bei der Rückbegegnung sind wir mit den mongolischen Jugendlichen an die Ostsee gefahren. Viele von ihnen hatten noch nie das Meer gesehen.“

Doch nicht nur interkulturell lernen junge Menschen viel über das Leben gleichgesinnter Jugendlicher in anderen Ländern. Gerade Gemeinsamkeiten zu entdecken verbindet über Grenzen hinweg. Bettina von der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein berichtet von den deutsch-polnischen Mädchenbegegnungen, die es nun schon seit 10 Jahren gibt. Die Mädchen setzen sich bei „Girls Bite“ mit Rollenbildern, Empowerment und Selbstbehauptung auseinander; z.B. analysieren sie Geschlechterrollen in der Werbung oder von YouTuber_innen beider Länder.

In weiteren Runden berichtet der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Berlin über den Israel-Austausch „Shaping Identities“, bei dem Jugendliche beider Länder ein Theaterstück auf die Beine gestellt haben und die Sportjugend Berlin über den Simultanaustausch mit Japan, bei dem jedes Jahr rund 125 Jugendliche die Perspektive und die Länder tauschen. Die BUNDjugend Berlin erzählt in einer weiteren Runde vom Ägypten-Austausch, den ehemalige Teilnehmende mittlerweile mit knappem Budget komplett selbstorganisiert durchführen.

Sind die Jahre des Sparens vorüber?

„Unser Ägypten-Austausch wird vom Auswärtigen Amt gefördert, was schon ziemlich gut ist“, sagt Björn von der BUNDjugend. „Mittel, die man über Erasmus+ bekommen kann, würden für die vier Wochen kaum reichen.“ Um zusätzlich Kosten zu sparen und die Teilnahme-Gebühr wenigstens etwas zu senken, hatten sie eine nachhaltige wie kreative Idee: Das Essen der Begegnung wird zu 80 Prozent aus weggeworfenen Lebensmitteln hergestellt. Trotzdem sind die Teilnahmekosten bei internationalen Begegnungen für Jugendliche häufig recht hoch, nicht jede Familie kann das stemmen.

„Internationale Jugendarbeit ist aufwändig. Dafür braucht es auch gute Rahmenbedingungen“, betonte Marcel Hoyer. „Daran teilzunehmen kann sich nicht jeder Jugendliche leisten.“ In den Jahren des Sparens sei der Bereich internationale Jugendbegegnungen politisch vernachlässigt worden, gab auch Sigrid Klebba zu. „Es ist ein Bereich, der heute mehr Belebung erfährt und gerade in diesen Zeiten gefördert werden muss.“

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